V.E. Schwab – Vicious. Das Böse in uns.
„Aber die Begriffe, mit denen so oft um sich geworfen wurde – Menschen oder Monster, Helden oder Bösewichte – waren für Victor nichts als Worthülsen. […] So viele scheinbar gewöhnliche Menschen waren Monster, und viele Monster verhielten sich äußerst menschlich.“
Inhalt
Victor Vale und Eli Ever – zwei überaus begabte Medizinstudenten mit Ambitionen, kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung. Es gilt noch eine der letzten Hürden in Form einer Abschlussarbeit zu bestehen. Eli begibt sich auf die Spuren eines modernen Mythos – den EOs, den ExtraOrdinären, Menschen, die im Laufe ihres Lebens Superkräfte entwickelt haben. Sein brillantes Gehirn kommt schnell auf das Geheimnis hinter den EOs und auch Victors Ehrgeiz wird geweckt. Die beiden jungen Männer treffen eine folgenschwere Entscheidung – sie werden sterben, um als ExtraOrdinäre wieder aufzuerstehen. Doch ihr kleines Experiment läuft aus dem Ruder und sie zahlen einen Preis, mit dem sie nie gerechnet hätten. Denn man wird durch Superkräfte noch lange nicht zum Helden…
Meinung
Das Cover.
Es ist selten, dass ich ein Cover ebenso anziehend finde, wie das der Originalausgaben. Das Cover trifft nicht nur absolut meinen Geschmack. es passt auch perfekt zur Story und ist ein Hingucker.
Der Stil.
Der Schreibstil von Victoria Schwab ist recht geradlinig. „Vicious“ erzählt die Geschichte von Victor und Eli aus mehreren Perspektiven und in mehreren Zeitebenen. Das macht es abwechslungsreich, spannend und unvorhersehbar. Die Geschichte erscheint nicht glatt gebügelt, sie hat Ecken, sie hat Kanten und auch Macken. Sie ist nicht perfekt, will sie wahrscheinlich auch gar nicht sein, und das hat mich für „Vicious“ eingenommen. Es hat hier und da kleine Schwächen, wie zum Beispiel das Erzähltempo, das nur so an einem vorbei rast, aber im Endeffekt waren sie mir alle komplett egal.
Die Charaktere.
Victor Vale
Victor erscheint auf den ersten Blick irgendwie, ja, unsympathisch. Obwohl dies das falsche Wort ist, er ist eher sozial recht unverträglich. Er hat keine Geduld mit den meisten Menschen, was zum einen an seinem hohen Intelligenzquotienten liegt. Victor kann dadurch keine Beziehung zu Menschen aufbauen, was gerade vor dem beruflichen Hintergrund seiner Eltern ziemlich ironisch daher kommt (welcher das ist, müsst ihr selbst herausfinden). Dieser Background hat Victor noch zusätzlich das gewisse Etwas verliehen, obwohl er auch ohne gut ausgekommen wäre.
Eli ist sein einzige und bester Freund, und der Grund dafür hat mich gleichzeitig berührt und abgeschreckt.
Anfangs überspielt Victor seine sozialen ‚Unzulänglichkeiten‘ noch, doch er verändert sich mit der Zeit. Er ist verroht, voller Rache und die meiste Zeit komplett rücksichtslos und brutal – und dennoch hat er mich tief berührt – aber nicht auf diese kuriose Bad Boy Schiene.
Eli Ever
Eli ist ein Sonnyboy, ein Charmebolzen, eine Sonne, um den alle möglichen Menschen kreisen wollen. Dennoch hatte ich selten so enorm ambivalente Gefühle gegenüber einem Charakter gehabt. Einerseits kann ich seine Entwicklung nachvollziehen, andererseits bin ich abgestoßen, angeekelt und finde das alles komplett verwerflich.
Die Nebencharaktere
Ich fasse sie jetzt einfach zusammen, auch wenn ihnen das nicht wirklich gerecht wird. Victoria Schwab schafft es, mit einer Handvoll weiteren Charakteren auszukommen, alle anderen sind wirklich nur Komparsen. Dadurch ist es möglich, dass man als Leser auch einen tiefen Einblick in die Persönlichkeiten dieser weniger Figuren bekommt. Für mich war es eine Freude, denn ich konnte einfach nicht genug bekommen.
Das Setting.
Vermutlich irgendwo in Amerika, vermutlich in der Gegenwart, aber es ist theoretisch vollkommen egal. Das Setting ist für mich austauschbar, die Charaktere machen die Geschichte aus. Das war für mich eine erfreuliche Abwechslung – dadurch, dass das Setting vollkommen in den Hintergrund rückt, sticht so viel anderes mehr heraus. Die Figuren und ihre Eigenarten, ihre Geschichte, ihre Emotionen, all das kann viel mehr Platz einnehmen.
Die Geschichte.
Um die Bücher von Victoria Schwab bin ich lange Zeit herum geschlichen, doch „Vicious“ hat mich so fasziniert, dass ich nicht mehr widerstehen konnte. Und ich bin mehr als glücklich darüber, denn ich habe dadurch eine Autorin entdeckt, die sich in mein Herz geschrieben hat. Mit einem Brecheisen. Oder auch einfach mit Victor Vale.
Die Geschichte von Victor und Eli ist an manchen Stellen ein bisschen zu schnell erzählt, ein wenig mit dem Kopf durch die Wand – was wiederum aber zu den Protagonisten passte. Auch das Ende kam mir zu fix, aber zum Glück gibt es ja noch einen zweiten Band.
Der Hintergrund der Story, das ganze Geheimnis um die EOs, die ExtraOrdinären, hat mich fasziniert und in seinen Bann gezogen. Es ist zwar etwas abgedreht und seltsam, aber auch erschreckend logisch. Es erscheint einem beim Lesen so vollkommen möglich, dass es fast schon real und greifbar wirkt und mir einen Schauer den Rücken hinunter gejagt hat. Denn diese Variante der Entstehung von Superkräften ist mal eine andere, als es mir bisher untergekommen ist. Und die moralischen Aspekte, die in den Mittelpunkt rücken, haben mich zum Nachdenken gebracht. Denn nur weil man Superkräfte hat, ist man ja noch lange kein Superheld. Und was macht jemanden eigentlich zu einem Helden? Und ist man dann automatisch immer der Gute in der Geschichte? Alles Fragen, die einfach in den Raum gestellt werden. Ich hatte sehr viel Platz für meine Gefühle und meine Gedanken, was mir gut gefallen hat.
Das Fazit.
„Vicious“ stellt mit seiner Geschichte den vorherrschenden Superhelden-Mythos auf den Kopf und prügelt auf einen ein. Es bringt Charaktere mit, die nichtmal den Versuch machen, sympathisch zu wirken. Es ist grausam, es ist brutal, sadistisch, moralisch fragwürdig – und es macht verdammt süchtig. Es ist dreckig, es ist blutig, düster, morbid – und es macht so richtig Spaß. Am Ende habe ich mir noch mehr Seiten gewünscht, noch mehr Story, noch mehr Eli und Victor.
Fakten
(Werbung, unbezahlt)
Originaltitel: Vicious
Band 1 von 2 der Reihe „Vicious & Vengeful“
Verlag: Fischer TOR
Erscheinungsdatum: 27.11.2019
ISBN: 978-3-596-70503-0
Preis: 16,99 €
Klappenbroschur, 400 Seiten
Genre: Fantasy
weitere Formate: eBook
Über die Autorin
Victoria (V.E.) Schwab wurde 1987 geboren und halb Engländerin, halb Amerikanerin. Mit der „Weltenwanderer“-Trilogie hatte sie in Deutschland ihren ersten größeren Erfolg. Sie schreibt Fantasy- und Jugendbücher, und immer nur das, was sie auch selbst gern lesen würde. „Vicious & Vengeful“ stand auf der New York Times Bestsellerliste und erscheint nun endlich auch in Deutschland.