Rezension | Jon Barnis – Baronica. Aufbruch zur letzten Wacht.
„Da sich heute kaum noch jemand traut, in der Ebene Schafe zu jagen, vermehrten sie sich wie Unkraut. Schönes, warmes, flauschiges Unkraut.“
Inhalt
Sanktoben sind Beobachter, dazu auserkoren, Welten zu erkunden und Wissen zu bewahren; lautlos, unsichtbar und vor allem unauffällig. Patrius von Gaden ist einer von ihnen. Sein neuester Auftrag führt ihn in die Wilde Ebene und zu den Teilnehmern einer Expedition, die auf den ersten Blick wie ein Selbstmordkommando erscheint, denn die Ebene ist voll tödlicher Gefahren und Kreaturen.
Doch drei Menschen wollen die Reise wagen, auf der Suche nach einer fast vergessenen Legende.
Lady Yock, eine sagenumwobene Veteranin, die mehr über die Ebene weiß, als es den Anschein macht. Golepp, ein Alchemist der großen Worte, der aber auch mit ebenso großen Fähigkeiten aufwartet.
Und Samuel, der ebenso jung wie geheimnisvoll ist, denn sein Wissen über die Welt und die Ebene ist schier unerschöpflich.
Doch dann zwingen die Geschehnisse Patrius die oberste Regel der Sanktoben zu verletzen und sich auf der abenteuerlichen Reise in das Schicksal einzumischen …
Meinung
Der Stil.
Jon Barnis gelingt mit „Baronica“ eine Gratwanderung gelungen – ein Schreibstil, der zeitgleich atmosphärisch und beschreibend ist, aber auch unterhaltsam und leicht. Schon auf den ersten Seiten hatte ich das Gefühl, selbst auf der Ebene zu stehen und mit auf die Reise zur letzten Wacht zu gehen. Ich war in der Geschichte, als wäre ich ähnlich wie Patrius ein Beobachter und wäre dennoch mittendrin, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass Patrius selbst der Erzähler ist und der Autor damit von der Perspektive her eine kluge Wahl getroffen hat. An manchen Stellen fand ich es ein wenig zu ausschweifend, aber Jon Barnis hat immer wieder die Kurve bekommen, bevor mein Interesse abflachen konnte.
Das Setting.
Die Welt, die den Leser empfängt, ist ein interessantes High Fantasy Setting, das ein wenig mittelalterlich angehaucht ist. Sie ist voller Mythen und Sagen, und immer noch von ihrer blutigen Vergangenheit geprägt. Außerdem befindet sich die Welt in einem Zustand nach den Magiern – es scheint noch magische Überbleibsel und Artefakte zu geben, aber kaum Magier an sich und wenn, dann sind sie nicht sehr angesehen. Außerdem ist die komplette Ebene, die das Setting bildet, in dem die Expedition sich in diesem Auftaktband befindet, voller interessanter Kreaturen, die mal mehr oder weniger blutrünstig sind. Der Ideenreichtum, den Jon Barnis bei diesen Wesen an den Tag legt, hat mich komplett begeistert. Besonders die Samtwollschafe haben es mir angetan.
Die Charaktere.
Die Charaktere, die Jon Barnis erschaffen hat, sind für mich wohl der Aspekt an „Baronica“, der mich am meisten fasziniert hat. Die Protagonisten sind wundervoll ausgearbeitet, sie wirken menschlich und glaubwürdig. Dadurch hatte ich großes Vergnügen ihnen auf ihrer Reise zu folgen und habe mitgefiebert, wie sie ihre Abenteuer überstehen werden.
Lady Yock
Die Veteranin ist eine sehr versierte Kämpferin, deren Kindheit ziemlich im Dunkeln liegt und einen Teil zu ihrem sagenumwobenen Ruf beigetragen hat. Sie erscheint auf den ersten Blick sehr stark, hart und kalt, eine Mauer, die sie um sich herum aufgebaut hat. Doch wenn sie sich einmal entschieden hat, zu jemandem ein wenig Vertrauen zu fassen – etwas, das man sich bei ihr erst sehr hart verdienen muss – dann ist sie eine loyale Wegbegleiterin. Außerdem ist die Lady sehr pragmatisch und sehr viel cleverer, als man am Anfang vermuten mag.
Golepp
Der Alchemist ist ein Lebemann der großen Worte, der sich nicht nur Freunde gemacht hat. Golepp scheint unberechenbar, temperamentvoll und ebenso wie die Lady eher distanziert und misstrauisch. Doch da er Samuel kennt, lässt er sich auf ein großes Abenteuer ein, etwas, dass selbst ihn manchmal zu erstaunen scheint. Der Alchemist ist eine Naschkatze, eher bequem und mag es, den für sich einfachsten Weg zum Ziel zu suchen.
Samuel
Der junge Mann, der voller Geheimnisse ist: niemand weiß, woher er kommt und was er sich eigentlich wirklich von dieser Reise erhofft. Er kennt viele Menschen, die ihm allesamt wohlgesonnen scheinen, da er ihnen geholfen oder sie mit seinem Charme eingewickelt hat. Außerdem hat er ein umfangreiches Wissen über die Vergangenheit der Ebene, das selbst Golepp und die Lady oft erstaunt, und ein Arsenal an nützlichen Dingen, von denen viel eigentlich eher aus dem Reich der Legenden stammen sollte.
Samuel hält sich immer bedeckt, ist aber ein humorvoller Mensch, der schnell Vertrauen zu fassen scheint, aber ebenso schnell welches in seinem Gegenüber hervorruft. Er scheint sanft, ruhig und gar nicht so, als wäre ein Abenteurer, der alles auf’s Spiel setzt.
Gemschen
Ich kann einfach nicht anders, Gemschen muss ich auch noch erwähnen. Ein tierischer Nebencharakter, der mir sehr ans Herz gewachsen ist, für viel Unterhaltung bei mir gesorgt hat und der mir ein Lächeln auf die Lippen zaubern konnte.
Die anderen Charaktere erfüllen so gut wie alle Funktionen, um die Geschichte voran zu bringen. Gefühlt ist keine Figur, der man begegnet unnütz oder einfach nur da. Das hat mich anfangs ein wenig irritiert, mir aber, je weiter die Reise fortschritt, mochte ich diese Art der Charaktererstellung sehr.
Die Geschichte.
Der Auftaktband zur Reihe „Baronica“ ist der Auftakt einer Quest. Es ist eine recht klassische Heldenreise in einem High Fantasy Setting und die Geschichte geht sehr geradlinig voran. Diesen Aufbau muss man als Leser mögen, denn es ist immer das gleiche Muster – die Helden stoßen auf ein Hindernis, müssen es überwinden mit mehr oder minder großen Schwierigkeiten, oft kommt ihnen auch der Zufall zur Hilfe und dann geht es weiter, so lange, bis man am Ziel angekommen ist. Mir gefiel es recht gut, es erinnerte mich ein klein wenig an ein Computerspiel, das man gemeinsam mit den Charakteren bestreitet – auch von der Figurenkonstellation fühlte ich mich daran erinnert. Daher hatte ich trotz der Länge der Reise, die nur der Auftakt zu etwas Größerem scheint und sich an das Motto ‚Der Weg ist das Ziel‘ hält, wirklich unterhaltsame Lesestunden. Besonders das Entdecken der Welt, das Kennenlernen der Figuren und der Wesen in ihr hat mir einfach Vergnügen bereitet.
Dennoch gibt es auch einen kleinen Kritikpunkt, der mir ein wenig die Begeisterung verhagelt hat. Es werden sehr viele Fragen in der Geschichte aufgemacht, die am Ende des ersten Bandes gefühlt nur noch mehr geworden sind und keine davon hat sich wirklich beantworten lassen. Bei vielen war nur im Ansatz eine Erklärung vorhanden und das mir einfach zu wenig. Ich hätte mir ein wenig mehr Antworten gewünscht, oder zumindest ein wenig mehr
Das Fazit.
„Baronica. Aufbruch zur letzten Wacht“ ist der Auftakt zu einer High Fantasy Reihe, die mit einem atmosphärischen Schreibstil und wahnsinnig sympathischen Charakteren punkten kann. Trotz kleiner Kritikpunkte fühlte ich mich auf der questartigen Reise durch die Wilde Ebene richtig gut unterhalten und bleibe voller Vorfreude auf den nächsten Teil zurück.
Fakten
(Werbung, unbezahlt)
Verlag: Hybrid Verlag
Erscheinungsdatum: 21.08.2020
ISBN: 9783967410488
Preis: 17,90 €
Taschenbuch, 456 Seiten
weitere Formate: gebundenes Buch und eBook
Genre: High Fantasy
Über den Autor
Jon Barnis wurde in den 70er Jahren geboren und ist das Pseudonym eines Autors, der hinter seinen Geschichten zurücktritt. Er ist ein Kind der 80er und fest verankert in der Popkultur, was sich auch in seinen Figuren und Geschichten niederschlägt.
Zitat Seite 100
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Dieses Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Autor zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusst meine Meinung nicht. Vielen Dank für das Rezensionsexemplar an Jon Barnis und den Hybrid Verlag.