Allgemein

Maya Shepherd – Die Apfelprinzessin

Band 1 der Grimm-Chroniken.

Die Grimm-Chroniken sind eine monatlich erscheinende Reihe.


"Er starb vor vielen Jahren. Ich habe ihn getötet, als ich erfolglos versuchte, die Wahrheit aus ihm herauszubekommen. Er nahm seine Geheimnisse mit ins Grab. 
Das mag den meisten als grausam erscheinen und vielleicht hegen sie deshalb Zweifel daran, ob ich nicht doch dieses herzlose Monster bin, als das die Brüder Grimm versucht haben, mich darzustellen. Die Lüge ist oft nicht von der Wahrheit zu unterscheiden, am wenigsten dann, wenn die Wahrheit zu schrecklich ist, um sie glauben zu wollen."

Inhalt

Will kann seinen 18. Geburtstag kaum noch erwarten. Dann kann er endlich neu anfangen, in einer anderen Stadt. Denn sein größter Wunsch ist es, aus Berlin wegzukommen. Weg von seiner Vergangenheit und vor allem von seinem Vater. Auch wenn Will ihn seit Jahren nur einmal in der Woche sehen muss. Er hasst diese Besuche, dieses Krankenhaus, die psychiatrische Einrichtung. Sein Vater Ludwig leidet unter Wahnvorstellungen und Will versucht sich von allem fernzuhalten, was ihn mit seinem Vater oder den Geschichten in Verbindung bringen könnte.

Wills einziger Lichtblick in seinem Leben, geprägt von Pflegeheimen, Zurückweisung und Vorurteilen, sind seine beiden Freunde Maggy und Joe. Die Geschwister sind ebenfalls Heimkinder und leben in einer betreuten Wohngemeinschaft mit ihm zusammen.

Doch an einem Besuchstag in der Klinik finden Will und Maggy ein komplett düsteres Zimmer vor. Ludwig redet noch wirreres Zeug als sonst und hat eine unerklärliche Abneigung gegen die Vögel vor seinem Fenster. Will möchte so schnell wie möglich nach Hause, denn er kann sich diesen Quatsch nicht mehr anhören.

Doch zu Hause angekommen wird der Tag einfach nicht besser. Auch vor Wills Fenster lungern die Vögel herum und auf einmal kommt auch noch unerwarteter Besuch. Ein Unbekannter, der behauptet Will schon lange zu kennen und in der gleichen Wahnvorstellung wie sein Vater zu leben scheint. Außerdem überbringt er ihm einen seltsamen Brief. Eine Unbekannte fordert Will auf, sie zu treffen. Will fühlt sich vollkommen veralbert. Doch Maggy und Joe überreden ihn, sich die ganze Sache wenigstens einmal anzusehen. Sie geraten in ein Abenteuer, das märchenhafter nicht sein könnte, aber dennoch alles auf den Kopf stellt, was man seit seiner Kindheit zu wissen glaubte.


Meinung

Die Grimm-Chroniken haben schon vor ihrem Erscheinungsdatum den Weg auf meine Wunschliste gefunden gehabt. Besonders die Idee dahinter fasziniert mich immer noch ungemein.

Band 1 der Grimm-Chroniken kommt mit einem wunderschönen Cover daher. Endlich kann ich hier auch mal den zweiten Verlag nennen, bei dem ich die Cover immer sehr gelungen finde – den Sternensand Verlag. „Die Apfelprinzessin“ kommt stilecht mit Prinzessin, Spiegel und blühenden Apfelbäumen. Aber lasst euch bloß nicht täuschen. So lieblich das Äußere auch sein mag, Kitsch werdet ihr hier vergebens suchen.

Maya Shepherd hat in den Grimm-Chroniken eine gewagte These aufgestellt – was wäre wenn die Gebrüder Grimm gelogen haben? Wenn alle Märchen, die wir aus unserer Kindheit kennen, die wahre Geschichte komplett verdrehen? Dass ich hier nicht widerstehen konnte, war ja irgendwie klar. Ich war wahnsinnig gespannt auf das Setting, die Figuren und die Geschichte, die hier auf mich warten würde. Und ich wurde nicht enttäuscht. Immer noch hänge ich in dieser Welt fest und versuche die Schnipsel, die die Autorin mir hinterlassen hat, zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenzusetzen.

Eine bunte Mischung aus bekannten Märchenfiguren und Shepherds Protagonisten trifft der Leser in dieser aus zwei Erzählsträngen bestehenden Geschichte an.
Schon im Prolog lernen wir eine unbekannte Frau kennen, deren Identität und Vergangenheit im Laufe des ersten Bandes nur ansatzweise enthüllt wird. Sie ist die mysteriöse Apfelprinzessin, von der wir in den Märchen der Gebrüder Grimm nichts erfahren.
Andererseits werden wir mit Will und seinen Freunden auf die Reise durch die Gegenwart geschickt. Besonders erwähnenswert ist hier für mich das Setting, denn wir suchen bekannte Orte auf. Berlin, die Charité als medizinische Einrichtung und auch spätere Schauplätze existieren wirklich in Deutschland. Das macht fast Lust auf eine Reise, auf der man sich die Orte mal in der Realität anschaut.

Will ist ein eher unsicherer Junge auf der Schwelle zum Erwachsensein. Er ist etwas schwer einschätzbar, misstrauisch, aber dennoch sympathisch.
Joe scheint trotz aller kleinen Differenzen, die er mit Will manchmal hat, ein guter Freund zu sein, auf den man sich verlassen kann.
Mein Favorit in dem Trio ist aber eindeutig Maggy. Sie ist lieb, verständnisvoll, eine kleine Träumerin und ein Bücherwurm. Irgendwie kann ich mich in ihr wiederfinden.

Zur Geschichte an sich kann ich nicht allzu viel schreiben, da ich sonst alles verraten würde. Nur eines – die Figuren auf die man trifft, sind schon ein Rätsel für sich. Mir hat es riesigen Spaß gemacht, mich in meinen Theorien zu verlieren. Denn selbst die kleinste Anspielung scheint etwas zu bedeuten. Ich fühlte mich wie Miss Marple, die eine Spazierfahrt durch die Grimm’schen Märchen macht und irgendwo Richtung Happy End falsch abgebogen ist.

„Die Apfelprinzessin“ ist mit ihren unter 150 Seiten zwar ziemlich schlank, aber angefüllt mit so viel Geschichte, dass ich einfach nur eingetaucht bin und mich ohne Unterbrechung durchgesuchtet habe. Es war ein wahres Vergnügen, das richtig Lust auf die Folgebände bereitet. Maya Shepherd ist ein so guter Reihenauftakt gelungen, wie ich ihn selten gelesen habe.


Empfehlung für

Liebhaber von Märchen, die keine Angst vor der Dunkelheit haben.


Fakten

Verlag: Sternensand, 2018

ISBN: 978-3-9068-2970-8

Preis: 8,95 €

Über die Autorin

Maya Shepherd, 1988 geboren, lebt im Rheinland mit Mann, Kind und Hund. Seit 2014 ist sie hauptberufliche Autorin und gewann 2015 den Lovely Selfie Award von Blog dein Buch mit ihrem Roman „Märchenhaft erwählt“.


Dieses Buch habe ich im Zuge einer Leserunde auf lovelybooks gewonnen. Meine Rezension wurde hiervon nicht beeinflusst.
Anmerkung: Im Gegenteil – ich fand das Buch so gut, dass ich mir die Printversionen der ganzen Reihe zulegen werde.

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