Oscar de Muriel – Im Bann der Fledermausinsel
Ein Fall für Frey & McGray, Band 4.
Dieses Buch wurde mir vom Goldmann Verlag als Leseexemplar zur Verfügung gestellt – vielen Dank hierfür. Meine Rezension wird hiervon nicht beeinflusst.
„Es war eine vom Wahnsinn gepackte Stimme, die sich wie ein Dolch in seine Ohren bohrte.“
Inhalt
Schottland, 1889.
Adolphus McGray wird immer stärker von Schuldgefühlen und Hoffnungslosigkeit geplagt. Die Aussicht ein weiteres Familienmitglied unwiederbringlich zu verlieren, macht in schier wahnsinnig. Daher greift er auch nach jedem Strohhalm, der ihm hingehalten wird. So lässt er sich auf einen Fall ein, der ihm von Mrs. Fletcher aus dem nördlichsten Teil Schottlands aufgebürdet wird. Diese ist Hausmädchen bei der wohlhabenden Familie Koloman und bittet ihn darum, den Erben der Familie zum Herrenhaus zu eskortieren – denn es liegen Morddrohungen gegen ihn vor. Als Köder wirft Mrs. Fletcher eine mögliche Lösung für McGrays Problem hin, auf die er natürlich sofort anspringt. Frey, McGrays englischer Partner, wird ebenfalls abkommandiert und reist sofort zum Herrenhaus das ihn, ebenso wie die Familie Koloman, gleichsam fasziniert wie abschreckt. Auch die nahegelegene Insel, die von Fledermäusen, trägt dazu bei. Spätestens als ein brutaler Mord direkt vor der Nase der Ermittler geschieht, wird klar, dass jeder Bewohner dieses Hauses ein Geheimnis hütet…
Meinung
Das Cover.
Generell mag ich die deutschen Cover sehr gern, auch wenn ich die englischen ebenso stimmungsvoll und passend finde. Schön finde ich, dass jedesmal ein Teil der Geschichte abgebildet wird und man dadurch gleich in die richtige Lesestimmung versetzt wird.
Der Stil.
Mich fasziniert es immer wieder, dass Oscar de Muriel für mich immer den richtigen Ton trifft. Die Atmosphäre fließt aus den Wörtern und zieht den Leser komplett in die Geschichte. Ich mag die schottischen Anleihen, die Darstellung von Land und Leuten sowie die Versuche sprachlich den Unterschied zwischen Engländern und Schotten hervorzuheben. Dieses Kontrastspiel zwischen der feinen, englischen Art und dem etwas ruppigen Ton der Schotten macht einfach Freude, ist aber trotz allen humorvollen Situationen, immer respektvoll gehalten.
Allgemein gesehen erscheint mir „Im Bann der Fledermausinsel“ noch viel flüssiger zu lesen als die anderen. Auch wenn ich die anderen vom Schreibstil her schon sehr mochte, hat der vierte Band sich noch viel besser gelesen, der Spannungsbogen hat sehr gut funktioniert, obwohl einige ruhigere Stellen enthalten waren.
Die Charaktere.
Inspector Ian Frey, Engländer
Inzwischen ist er gar nicht mehr so englisch, wie er am Anfang war. Er scheint immer mehr Verständnis für die (in seinen Augen) Eigenarten der Schotten aufzubringen, im Besonderen für die seines Partners McGray. Frey gibt sich auch weniger arrogant als vorher und ist dadurch ein angenehmer Protagonist, dem seine Erziehung manchmal ganz schön im Weg zu stehen scheint. Seine Charakterentwicklung hat mir besonders in diesem Buch richtig gut gefallen und war hier besonders spürbar. Ich bin gespannt, welche Spuren dieser Fall bei ihm hinterlassen hat und wie er sich im weiteren Verlauf geben wird. Eine schöne Komponente hat auch die Beziehung zu einem der Nebencharaktere in die Geschichte gebracht, denn sie zeigt, wie Ian Frey wirklich zu seinen Mitmenschen sein kann, wenn er sich nicht von seinen eingetrichterten Vorurteilen leiten lässt.
Inspector Adolphus „Nine-Nails“ McGray, Schotte
Auch bei McGray bemerkt man die Charakterentwicklung, er erschien in diesem Fall irgendwie weicher, obwohl er dennoch genug Ecken und Kanten hat. Auch sein Verhältnis zu Frey wird immer besser, mir macht die Annäherung der beiden wirklich Freude, denn glücklicherweise bleibt zwar das Gezicke zwischen den beiden, aber es ist nicht mehr ganz so giftig und eher liebenswert. Außerdem gibt es immer mehr Einblicke in die Familiengeschichte der McGrays, die den Leser ja nun auch schon seit dem ersten Band begleitet.
Außerdem möchte ich noch kurz die Nebencharaktere hervorheben. Es gibt einige, die sehr stark im Mittelpunkt der Handlung stehen. Diese sind enorm gut ausgearbeitet, vielschichtig und ihre Persönlichkeiten einfach faszinierend. Oscar de Muriel hat hier so gut porträtiert, dass er sich selbst übertroffen hat.
Das Setting.
Die Highlands ganz im Norden Schottlands, ein einsamer und verlassener Landstrich. Das Herrenhaus der Kolomans ist der Haupthandlungsplatz. Diese wundervolle, weitläufige Anwesen befindet sich ein wenig weg vom nächsten Dorf und liegt nahe eines Seeufers. Dieser See beherbergt mehrere kleine Inseln, von denen eine die namensgebende Fledermausinsel ist. Den Überblick über die Lage behält der Leser durch die Karte, die im Buch enthalten ist.
Die Geschichte.
Der inzwischen vierte Fall für die Ermittler Frey und McGray war für mich ein wahres Lesevergnügen – flüssig und spannend geschrieben, flogen die fast 600 Seiten an mir vorbei. Vermutlich liegt dies daran, dass sich der Autor in Gefilde begeben hat, die ihm sehr gut liegen.
Dieser Fall verbindet Mythen und Übersinnliches mit Wissenschaft und Fortschritt, aufgrund der Zeit in der die Geschichte spielt, auch noch mit einer ordentlichen Prise Aberglauben gemischt. Diese Mischung zieht sich wie ein roter Faden durch das komplette Buch und hat mich einige Male an mir zweifeln lassen und mir die Frage aufgedrängt, was von den Ereignissen denn übersinnlich sein könnte oder ob es doch für alles eine wissenschaftlich fundierte Erklärung gibt.
Außerdem hat sich Oscar de Muriel für mich mit der Entwicklung der Charaktere, die in „Im Bann der Fledermausinsel“ eine Rolle spielen wahrlich selbst übertroffen. Sie machen den Fall erst richtig interessant. Ich habe mich als Leser zwar manchmal etwas verloren gefühlt, aber dieses Gefühl hat sich in den Ermittlern widergespiegelt und man musste mit ihnen zusammen rätseln, wo die Reise im Endeffekt hingehen soll. So konnte es auch passieren, dass man sich auf einmal in einer Sackgasse befand.
Auch die Charaktere haben den roten Faden der Geschichte aufgegriffen, diesen Zwiespalt abgebildet und bewegten sich zwischen Aberglauben und Fortschritt, was oft zu der Frage führte, welche Seite durch wen verkörpert wird und welche sich im Recht wähnt und wie die eigenen Moralvorstellungen nun da rein passen und die Handlungen nachvollziehbar machen oder eben nicht.
Oscar de Muriel hat in diesem Band etwas geschafft, dass Autoren im Kriminalbereich selten hinbekommen, erst recht, wenn die Fälle in den einzelnen Bänden abgeschlossen sind – er hat mich mit dem Ende leicht zerstört. Ich kann es kaum erwarten, den Folgeband in den Händen zu halten. Das Ende des Falls hat mich schon atemlos gemacht und als dann das Ende des Buches kam, war es komplett vorbei. Ich konnte es einfach nicht fassen, was ich da gelesen habe und will unbedingt wissen, wie es weitergeht.
Das Fazit.
„Im Bann der Fledermausinsel“ ist für mich der bisher beste Band der Reihe um die Ermittler Frey & McGray. Die Geschichte um die wohlhabende Familie Koloman hat mich fasziniert, mich atemlos durch die Seiten fliegen lassen und mich am Ende mit einer großartigen Wendung komplett überrascht. Ich fiebere dem nächsten Band der Reihe von Oscar de Muriel entgegen.
Fakten
(Werbung, unbezahlt)
OT: The Loch of the Dead
Verlag: Goldmann Verlag
Erscheinungsdatum: 16. Dezember 2019
ISBN: 9783442488872
Preis: 10,- €
Taschenbuch, 576 Seiten
weitere Formate: eBook
Genre: Historischer Kriminalroman mit einem Hauch Mystery
Über den Autor
Oscar de Muriel, gebürtiger Mexikaner, lebt in England und geht dort seiner Berufung als Chemiker, Übersetzer und Violinist nach. Mit der Romanreihe rund um das brillante Ermittlerduo Frey & McGray feiert er in seiner neuen britischen Heimat große Erfolge.
Ein Fall für Frey & McGray:
Band 1 – Die Schatten von Edinburgh
Band 2 – Der Fluch von Pendle Hill
Band 3 – Die Todesfee der Grindlay Street
Band 4 – Im Bann der Fledermausinsel
Kurzgeschichte – Die Hirschjagd (kostenfrei, eBook only)