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Rezension | Boris Koch – Dornenthron

„Ycena war gewaltig, einst sollte hier eine unvorstellbare Million Menschen gelebt haben, jetzt gab es […] niemanden mehr.
Ycena war nur noch ein verblassender Traum von Macht, ein Begriff für vergangene Größe. […]
Ycena war nur noch Ruinen und eine Idee.“


Inhalt

Die Kaiserstadt Ycena. Einstmals der Inbegriff von Macht, Reichtum und Magie, ging es durch ebendiese unter. Alte Hexerei ließ die Stadt hinter undurchdringlichen Dornenranken verschwinden. Die Legenden besagen, dass hinter den alten Mauern des Palastes die Kaiserstochter auch heute noch wohlbehütet im magischen Schlaf liegt. Sollte es je einem Menschen gelingen, sie zu retten, dann soll er den Dornenthron als Kaiser besteigen und alle dreizehn Königreiche unter sich vereinen.

Um seine Mitmenschen vor der Tyrannei seines verhassten Vaters zu beschützen, begibt sich Ukalion, der Bastard des Königs, auf die Reise zum Palast von Ycena. Er will die Prinzessin aus ihrem jahrhundertlangen Schlaf befreien und sich so zum König machen. Aber er ist nicht der Einzige, der dieses Ziel verfolgt und seine Gegner sind nicht nur zahlreich, sondern auch mächtig. Doch in der Finsternis von Ycena wartet auf sie alle noch eine Überraschung: die uralte Magie des Reiches scheint wieder zum Leben zu erwachen …


Meinung

Das Cover

Ein sehr stimmiges Cover zur Geschichte, das eine sehr gute Umsetzung des Inhalts ist, es greift die Stimmung sehr gut auf. Es ist düster, was gut zur Dark Fantasy passt und die Dornen sind eine Anspielung auf den Titel und das Märchen Dornröschen, auf welches das Hauptaugenmerk in Hinsicht Märchenadaption gelegt wird.

Der Stil. 

Der Stil und besonders der Aufbau von „Dornenthron“ hat mich sehr überraschen können – sowohl in positiver als auch leicht negativer Hinsicht.

Die Kapitelaufteilung ist ungewöhnlich und einfach mal was anderes, zumindest für mich. Es sind einzelne größere Abschnitte, die wiederum in Unterkapitel aufgeteilt sind. In diesen gibt es einen gut ausgearbeiteten Spannungsaufbau, der aber grundsätzlich am Ende eines Abschnitts wieder abflachte, oft gab es Mini-Cliffhanger, die den Leser dann mehrere Seiten lang noch in der Luft hängen lassen.

Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt, die am Anfang wahllos zusammengewürfelt erscheinen, es aber im Endeffekt gar nicht sind. Für mich war es sehr faszinierend zu sehen, wie sich immer mehr Verbindungen auftaten, ähnlich wie bei einem Spinnennetz, an dem man sich entlang hangelt und erst nach und nach merkt, wie viele Verbindungen und Knotenpunkte es gibt.

Durch die verschiedenen Blickwinkel wird der Leser einem Wechselbad ausgesetzt – hinsichtlich des Settings, der Gefühle, der Persönlichkeit und der Ereignisse. Das ist vorrangig sehr spannend, kann aber auch stellenweise anstrengend sein und manchmal regelrecht emotional aufreibend, da ich zeitweise gern bei einem Charakter verweilt wäre, ich aber wieder zu einer anderen Figur zurückkehren musste.

Das Setting.

Das Setting ist mittelalterlich und europäisch angehaucht.
Das Reich wird von Adligen regiert, die sich sehr viele Rechte herausnehmen und die ich beim Lesen teilweise weder Könige noch Kaiser nennen wollte, da ich Tyrann als ein sehr viel besseres Wort empfand. Es gibt einen ausgeprägten Seehandel, welcher kurz angeschnitten wird, und große Handelsstädte.
Weiterhin ist das gesamte Land von Aberglauben geprägt und dadurch auch von der Willkür der Herrscher, die sich diesen zu Nutzen machen. Dadurch erscheint es ein wenig, als wäre der Leser in einer alternativen Realität zur Zeit der Hexenverbrennungen gestrandet.

Die Charaktere.

Als Leser begegnet man im Laufe der Geschichte einer Vielzahl von Charakteren, aber nur wenige lernt man wirklich näher kennen. Doch trotz dieses begrenzten Fokus sind die Persönlichkeiten spannend und vielschichtig, wenn auch manchmal nicht gleich auf den ersten Blick.
Dennoch habe ich sie nicht wirklich ins Herz schließen können. Ihr Schicksal interessierte mich, aber ich konnte keine richtige Verbindung aufbauen, was mich aber erstaunlicherweise nicht wirklich störte. Da mich die Geschichte als Gesamtes emotional berühren konnte, brauchte ich die einzelnen Charaktere als Ankerpunkt nicht und ich bin auch im Nachhinein nicht enttäuscht drüber, da es meinem Lesevergnügen keinen Abbruch tat.

Im Folgenden gehe ich kurz auf zwei der Hauptcharaktere ein, die wir von Anfang an begleiten.

Ukalion
ist der nicht anerkannte Bastard des Königs und lebt mit seiner Mutter und seinem Stiefvater in einer Mühle. Er hat rebellische Züge an sich und kann sich die Tyrannei des Königs nicht mehr ansehen. Ukalion liebt seine Mutter und schätzt seinen Stiefvater sehr, sein Ehrgefühl gegenüber den beiden ist sehr ausgeprägt und er möchte seine Mutter für das, was der König ihr antat, rächen.
Ukalion glaubt eigentlich nicht an die alten Geschichten, doch eines Tages sind sie alles, was ihm noch Halt gibt und so beschließt er, mit Hilfe der Legende um die schlafende Königstochter den Dornenthron zu besteigen und sich zum Kaiser über alle dreizehn Reiche machen zu können.

Tyra
ist eine ehemalige Duftsucherin und alleinerziehende Mutter eines Kindes. Durch ihren sehr ausgeprägten Duftsinn in ihrer Jugend hat sie sich einen Namen auf den Handelsstraßen geschaffen und ein gutes Leben aufgebaut. Sie zeichnet sich durch eine starke Persönlichkeit und einen ziemlichen Dickkopf aus. Ihr Sohn ist ihr Ein und Alles – und sie ist auch bereit, alls für ihn aufs Spiel zu setzen.

Die Geschichte.

Vorab noch etwas Allgemeines zur Geschichte: ich finde es wahnsinnig schade, dass „Dornenthron“ nur als düstere Adaption des Märchens Dornröschen beworben wird. Es ist zwar das Märchen, auf dem der Fokus liegt, da es sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch zieht, aber es ist bei weitem nicht das einzige, dem sich Boris Koch hier angenommen hat. Dadurch wurde ich beim Lesen zwar überrascht, aber ich befürchte, dass dadurch dem Buch sehr viel genommen wurde.

Denn gerade diese Vielfalt im Bereich der verarbeiteten Märchenmotive hat „Dornenthron“ für mich zu einem Leseerlebnis gemacht. Ich bin auf viele bekannte, aber auch unbekanntere Märchen gestoßen, die es mir möglich machten, zwischen den Seiten ganz viel zu entdecken, da sie ja auch ein wenig verändert wurden. Ich fühlte mich ein wenig wie auf einer rätselhaften Schnitzeljagd nach Märchensymbolen und hat mir große Freude bereitet alles zu entschlüsseln.

Am Anfang hatte ich ein wenig Startschwierigkeiten, die sich durch die Kapitelaufteilung immer mal wieder bemerkbar machten. Durch die Mini-Cliffhanger am Ende jedes Abschnitts wurde ich ein bisschen aus dem Lesefluss gerissen, aber mit der Zeit habe ich mich dran gewöhnt, da die Aufteilung einerseits die Spannung herausnahm, aber auch wieder welche hinein brachte.
Auf den letzten 100 Seiten aber hat Boris Koch nochmal alle Register gezogen und ich bin nur so durch die Seiten geflogen und wollte unbedingt wissen, wie es weiter geht. Spannend, aufregend, großartig umgesetzt und auf wunderbare Weise dennoch ohne einen bösartigen Cliffhanger, aber mit einem Ende, das Lust auf mehr macht und mich neugierig auf den zweiten Band zurücklässt.

Nach der Lektüre von „Dornenthron“ ist mir bewusst geworden, was Boris Koch als Autor wirklich kann – Atmosphäre. Düster, märchenhaft, voller Zauber, aber auch unterschwellig bedrohlich, ich habe so viel zwischen den Zeilen gespürt und genau das hat mich für alle anderen, kleinen Kritikpunkte entschädigt.

Das Fazit.

„Dornenthron“ ist ein recht klassisch daher kommender Dark High Fantasy Roman, der gleichzeitig gekonnt mit diversen Märchenmotiven spielt. Boris Koch weiß durch seinen angenehmen Schreibstil, einen ungewöhnlichen Aufbau der Geschichte und eine großartige Atmosphäre zu überzeugen.


Fakten

(Werbung, unbezahlt)

Verlag: Knaur

Erscheinungsdatum: 01.04.2020

ISBN: 9783426524947

Preis: 14,99 €

broschierte Ausgabe, 432 Seiten

weitere Formate: eBook

Genre: Dark High Fantasy

Über den Autor

Boris Koch, geboren 1973 in Schwaben, ist freier Autor und lebt in Leipzig. Er studierte Geschichte und Neuere Deutsche Literatur, lebte mehrere Jahre in Berlin, wo er in der Buchhandlung „Otherland“ arbeitete und die bekannte Lesebühne „Stirnhirnhinterzimmer“ zusammen mit Christian von Aster und Markolf Hoffmann betrieb.


Zitat Seite 12

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