Bücher

Christian von Aster – Der Orkfresser

"Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen - Erwachsenen, damit sie aufwachen."
Jorge Bucay

Inhalt

Orks gegen Aliens, Einhörner gegen Vampire, Engel gegen Zombies. Was sich anhört, wie eine Wettkampfliste bei einem Tabletop-Turnier ist für Aaron Tristen sein täglich Brot. Der Fantasyautor hat mit der CreatureClash-Reihe ein bedingt literarisches Erlebnis geschaffen, welches mit nicht unwesentlicher Hilfe der unorthodoxen Marketingaktivitäten seines Verlages Heuvelmann & Grimm die Bestsellerlisten im Sturm erobert.

Während der Lesereise zum neuesten Band wird der leicht ausgebrannte Tristen daher fortwährend mit Orks konfrontiert. Sein Verleger weiß halt, was das Publikum möchte. So muss Tristen sich nicht nur ständig selbst beim Lesen eines vollkommen unsinnigen Textes zuhören, nein, er muss auch noch orthographisch eher inkorrekte Rezensionen, Fans ohne Bewusstsein für jegliche Distanz und den täglichen Spott seiner Lektorin Willi ertragen. Von den Orks ganz zu schweigen, die kann er nämlich seit dem ersten Band wirklich nicht mehr sehen und ärgert sich, dass er nicht alle am Ende ausgerottet hat. Als er den gecosplayten Grünhäuten dann auch noch zuhören muss, wie sie sein neuestes Werk zerreissen und sich seiner alten Geschichten erinnern, verabschiedet sich sein Verstand in den wohlverdienten Kurzurlaub zusammen mit seinen zwei Geliebten Alkohol und Kokain.

So kommt es nicht nur, dass Tristen sich mit den Orks prügelt und am nächsten Morgen neben einer Grünhaut aufwacht, dies führt auch noch zu zweifelhafter Publicity. Leider ist Heuvelmann nicht ganz so überzeugt wie Willi, dass auch wenig schmeichelhaftes Rampenlicht seinen Dienst leistet und gibt Aaron die Schuld an einem etwaigen zweiten Herzinfarktes seines Partners Grimm. Um zu zeigen, wer hier die Hosen anhat, zieht der Verleger die Daumenschrauben an – Deadline für den neuen Band, besseres Auftreten in der Öffentlichkeit und, da man dem Fluss des Geldes folgen muss, Werwölfe. Am besten eine Menge, egal wie, Hauptsache er dichtet sie den Engeln an die Flügel und den Zombies ans untote Hinterteil. Doch Aaron hat gelinde gesagt einfach keinen Bock mehr. Und so taucht er unter.

In Leipzig, so hofft er, wird ihn niemand suchen, geschweige denn finden. Um sicher zu gehen, reist er mit kleinem Gepäck und reduziert seine Kommunikationsmittel, legt sich einen neuen Namen zu, verändert sein Aussehen und findet bei einem Troll Unterschlupf. Er begegnet alten Freunden, lässt sich von einem dafür gänzlich ungeeigneten Fahrzeug überfahren und wird Mitglied der wohl buntesten, literarischen Selbsthilfegruppe, die man finden kann. Tristen scheint langsam aber sicher der Bezug zur Realität zu entgleiten, sicher kann man sich da aber nicht sein. So begibt er sich auf die holprige und von Geschichten gepflasterte Reise zu sich selbst.


Meinung

„Ich habe alles erreicht, ich bin im gleichen Verlag wie J.R.R. Tolkien erschienen.“ Das sagte Christian von Aster auf der Premierenlesung zu „Der letzte Schattenschnitzer“ im Jahr 2011.

Damals hätte ich nicht widersprochen. Heute, sieben Jahre später, wage ich leise zu sagen – nein, da noch nicht, aber jetzt. Denn diese Geschichte ist so unglaublich und so fantastisch, dass sie in einem Atemzug mit den ganz großen Klassikern der Phantastik genannt werden sollte.

Von Aster nimmt uns mit auf eine Reise, auf die des Aaron Tristen, der den Weg zu sich selbst sucht. Auf den Straßen einer Stadt, die dafür prädestiniert ist wie keine andere. Leipzig, meine Liebe. Was als Geschichte über den Wandel des Literaturmarktes beginnt, einer Verschaukelung der Branche mit allen Beteiligten, die immer mit dem gewohnt bitterbössarkastischen Beigeschmack, der mit einem zwinkernden Auge präsentiert wird, daher kommt, entwickelt sich zu etwas gänzlich Unerwartetem. Zu einem emotionalen Fall durch das Kaninchenloch ins Wunderland der Literatur.

Dieser Roman ist nicht nur eine Geschichte, sie ist eine Hommage an das geschriebene, erdachte Wort. Mit jedem Wort spürt man die tiefe Liebe zur Literatur und befindet sich auf einer Zeitreise. In die eigene Kindheit, in der man mit der Taschenlampe dem Flüstern der Seiten zu nachtschlafender Zeit verfiel. In die Momente, in denen man merkte, dass Freunde, die sich zwischen den Buchdeckeln befinden, manchmal eben doch die besten sind. Zurück zu dem Gefühl, das man hat, wenn man über den Buchrücken eines seiner Lieblingsbücher streicht. Als würde man in die Umarmung eines alten Freundes sinken.

Und während ich bei dem Gedanken daran, wieder feuchte Augen bekomme, denke ich an all die wunderbaren Reisebegleiter, denen von Aster Leben eingehaucht hat und über die ich nicht schreiben möchte. Lernt sie bitte selbst kennen und seht, wie sich ihre Geschichte vor euch ausbreitet. Durch Worte, die einen wie die warme Decke umfangen, die einem von der eigenen Mutter um die Schultern gelegt wurde, zusammen mit dem gut gemeinten Rat, dass nach dem Kapitel vielleicht doch Schluss für heute sein sollte. Wir alle wissen, wie oft wir nicht auf diesen Rat gehört und uns über den viel zu zu schnell gekommenen Morgen gewundert haben.

„Der Orkfresser“ bringt zu diesem Gefühl zurück und mir bleibt nicht mehr als „Danke“ zu sagen. Danke, für diese Geschichte. Danke, für die Emotionen und die Erinnerungen. Für die Bilder, die so bunt zwischen den Seiten aufsteigen als wären sie nicht nur schwarze Buchstaben auf weißem Papier gedruckt. Danke, für Figuren, die so schillernd und liebenswürdig sind, dass man melancholisch ob des Gedanken wird, sie nur vor seinem inneren Auge sehen zu dürfen.

Danke, für ein Buch, welches immer ein guter Freund sein wird.


Empfehlung für

die, die Geschichten lieben.


Fakten

Verlag: Hobbit Presse, Klett-Cotta

ISBN: 978-3-608-98121-6

Preis: 14,95 €

zur Leseprobe

Über den Autor

Christian von Aster, studierter Germanist und Künstler, wurde 1973 geboren. Neben seinen Büchern, beeinflusst er auch Filme und Bühnenstücke und ist einem breiten Publikum besonders durch seine mitreißenden Lesungen bekannt. In Leipzig betreibt er die monatlich stattfindende Lesebühne „Staun & Schauder“. 2012 wurde er mit dem SERAPH, dem deutschsprachigen Literaturpreis für Phantastik, ausgezeichnet.


Lesungstermine von „Der Orkfresser“ zur Leipziger Buchmesse: 
Donnerstag, 15.03.2018
16:30 Uhr
Buchmesse / Fantasy-Leseinsel (Halle 2)
Freitag, 16.03.2018
Einlass 19:00 Uhr, Beginn 20:00 Uhr
Noel’s Ballroom, Kurt-Eisner-Straße 43, 04275 Leipzig
Premierenlesung mit Gästen

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